Historische Romane gelten oft als Rückblick – für Bestsellerautorin Eva Fellner sind sie das Gegenteil: ein kraftvoller Spiegel moderner Themen. In ihrer Enja-Saga erzählt sie von einer Frau, die sich im 14. Jahrhundert behauptet – politisch, körperlich, emotional. Was das mit den Herausforderungen von heute zu tun hat, erklärt sie im Interview.
1. Frau Fellner, Ihre Romane spielen im Mittelalter – warum sind gerade diese Geschichten für moderne Frauen so relevant?
Geschichte wiederholt sich. Anders, aber immer wieder, meist im selben Strickmuster, denn das liegt in der Natur der Menschen. Frauen spielten damals wie heute eine wichtige Rolle. Sie kämpften als Burgherrin gegen Kriegsfeinde, verwalteten Besitz und Ländereien, schrieben Bücher, besetzten hohe kirchliche Ämter und regierten sogar ganze Länder. Frauen hatten im Mittelalter einen nicht zu unterschätzenden politischen und gesellschaftlichen Einfluss. Ein großes Vorbild sind für mich die Äbtissinnen des französischen Klosters Fontevraud, die gefürchteter waren als der Papst. Sie hatten 300 Jahre lang Macht, Reichtum und Einfluss. Wir können an solchen Beispielen sehen, dass Frauen schon sehr früh Führungsrollen ausfüllen und Nachfolger aus ihrem Netzwerk besetzten. Heute haben wir den großen Vorteil, dass allen Frauen Zugang zu Bildung und Beruf möglich ist, nicht nur hochgestellte Damen. Das sollten wir doch nutzen!
2. Ihre Hauptfigur Enja ist stark, unabhängig und strategisch. Welche Eigenschaften braucht eine Frau heute, um sich ähnlich durchzusetzen?
Eine Waffe müssen wir heute sicher nicht mehr bedienen lernen. Wir haben mittlerweile andere Waffen, um uns tapfer zu schlagen. Ausbildung, Wissen und eine gute Portion Selbstbewusstsein sind grundlegende Werte, die jede Frau nach vorne bringen, egal in welchem Job. Wir Frauen neigen dazu, zu nett zu sein, auf andere Rücksicht nehmen und nicht anecken zu wollen. Aber das führt oft nicht zum Ziel. Wir sollten wissen, was wir leisten können und uns auch entsprechend verkaufen. Eine Strategie ist dabei hilfreich. Auch neigen wir Frauen dazu, schnell aufzugeben, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Wenn unsere Kraft nicht reicht, brauchen wir eben eine gute Technik. Das habe ich schon im Kampfsport gelernt. Das halte ich mental immer noch für die beste Ausbildung, um Durchsetzungskraft zu lernen. Nicht, weil wir dann besser zuschlagen können, sondern weil wir dort lernen, dass wir die Kraft haben, alles zu schaffen.
3. Historische Stoffe gelten oft als veraltet oder schwer zugänglich. Wie gelingt es Ihnen, Leser:innen emotional abzuholen?
Genauso erging es mir bei den Klassikern. Die Geschichten waren wunderbar, aber der Staub der Zeit rieselte durch die Blätter. Um mit den modernen Zeitfressern mithalten zu können, brauchen wir Geschichten, die einen Protagonisten haben, mit dem wir uns sofort identifizieren können. Einen, der modern und motivierend genug ist, jeden aus dem Alltag zu holen. Das ist es, was wir Autoren tun! Wir schaffen eine Fantasie, in der sich der Leser mitbewegt. Ähnlich wie in einem Computerspiel. Die Figuren müssen zugänglich sein und für den Leser von heute faszinierend. Grade bei historischen Romanen sollten die Fakten nicht die Geschichte sein, sie müssen dem Plot dienen. Jeder historische Roman, der den Leser in seinen Bann zieht, ist unbezahlbar. Denn das Wissen bleibt und mit diesem ein gutes Gefühl.

4. Was wünschen Sie sich von Frauen in Führungspositionen und welchen Beitrag kann Literatur dazu leisten?
Ich würde mir wünschen, dass Frauen sich besser vernetzen. Wir sind gemeinsam viel stärker. Jede Frau hat andere Stärken und Schwächen und das sollten wir gegenseitig nützen. Männer tun das seit Beginn der Menschheit, denn im Kampf mussten sie sich auf andere verlassen. Sie haben sich wortwörtlich “verbrüdert”, um zusammen stark zu sein. Frauen kämpfen immer noch zu sehr miteinander. Warum ist sie dort und ich nicht? Anstatt sich zu fragen, was hat sie geleistet, um dorthin zu kommen? Überhaupt wäre es mir sehr recht, wenn Frauen untereinander mehr Rücksicht nehmen würden. Da ist oft wenig Verständnis für Unsicherheit oder Überforderung da. Männer sind genauso unsicher, sie überspielen es nur besser, weil sie lauter sind. Lesen Sie Romane mit starken Frauen und lernen Sie, wie sich diese mit ihren Gefühlen, Problemen und in der Gesellschaft zurechtfinden. Achten sie auf spannend inszenierte Lösungen und eine motivierende Story. Ich finde viele Beispiele in der Literatur, die mich begeistern und mitziehen.
5. Was würden Sie jungen Frauen raten, die heute ihren eigenen Weg gehen wollen – beruflich oder persönlich?
Ich kann nur jede Frau darin bestärken, ihre Träume umzusetzen. Selbst wenn es Jahre kostet, dorthin zu kommen und das wird es einfach. Durchziehen und beim Sturm festhalten. Eine Karriere ist kein Origami, das sich entfaltet und dem automatisch dem entspricht, was man sich vorher gewünscht hat. Gute Führungskräfte werden von ihrem Job “geschliffen”, da darf sich keine Frau etwas vormachen. Bleiben sie trotzdem authentisch und freundlich, aber gehen sie ihren Weg. Selbstständigen empfehle ich, eine Erfolgsquote zu setzen. Eine, die erreichbar ist. Klappt das nicht, dann muss Frau eben entscheiden, ob das alles richtig war. Eine selbstgestellte Aufgabe zu überdenken ist kein Schuldeingeständnis. Ein großer Tipp von mir: Holen Sie sich professionelle Hilfe. Es gibt Coaches, die können einen selbst viel besser einschätzen und zeigen Wege auf, wie es funktioniert. Lassen Sie es zu, dass andere sie korrigieren. Das ist besser, als Jahre in eine kraftraubende Tätigkeit zu stecken. Denken Sie mal darüber nach, dass ein Historienroman im Schnitt dreizehnmal überarbeitet wird. Da brauchen Sie einen langen Atem und viele gute Ratschläge. Letztlich war das meine Erkenntnis: alle Experten zusammen führen zu dem perfekten Ergebnis, das auch Erfolg hat.
Fazit
Ob in mittelalterlichen Burgen oder modernen Büros – die Stärke von Frauen liegt in Wissen, Netzwerk und der Fähigkeit, dranzubleiben. Historische Romane wie die Enja-Saga von Eva Fellner erinnern uns daran, dass Führungsstärke, Mut und strategisches Denken zeitlos sind. Wer liest, findet nicht nur Inspiration, sondern auch Bestätigung: Die Geschichte gehört längst nicht nur den Männern und jede Frau kann heute ihre eigenen Kapitel schreiben.
Über die Autorin
Eva Fellner ist Bestsellerautorin historischer Romane. Mit der erfolgreichen Enja-Saga („Die Highlanderin“) verbindet sie spannende Erzählkunst mit fundierter Geschichtsforschung und schafft starke Figuren, die bewegen. Ihre Bücher zeigen: Geschichte ist kein verstaubtes Archiv, sondern eine lebendige Quelle für Identität, Orientierung und gesellschaftlichen Wandel. Enja ist eine Heldin für heute – klug, mutig, vielschichtig.