Ständig erreichbar, immer im Einsatz, nie wirklich im Moment – viele berufstätige Frauen kennen das Gefühl, nur noch zu „funktionieren“. Doch was passiert, wenn wir uns selbst zur letzten Priorität machen? Melek Aydogdu, Fachpraktikerin für Massage, Wellness und Prävention, setzt genau hier an. In ihrer Praxis begegnet sie täglich Frauen, die sich selbst im Trubel von Karriere und Alltag verlieren. Ihr Appell: Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg. Im Interview spricht sie über das Leben im Funktionsmodus, den Druck von außen – und warum bewusste Auszeiten echte Karriere-Booster sein können.

- Melek, du arbeitest täglich mit Frauen, die im Dauerstress leben. Was sind typische Warnsignale, dass jemand nur noch im Funktionsmodus unterwegs ist?
Oft suchen mich Frauen genau dann auf, wenn ihr Körper laut und deutlich um Hilfe ruft. Die ersten Anzeichen haben sie meist schon selbst gespürt – sie fühlen sich erschöpft, gereizt oder ständig krank, wissen aber nicht mehr, wie sie da wieder herauskommen sollen. Viele berichten mir von chronischer Müdigkeit, innerer Leere oder ständigen Kopfschmerzen. Nackenverspannungen, Schlafprobleme, Gereiztheit im Job und zuhause – das sind klassische Symptome des sogenannten Funktionsmodus.
Besonders häufig höre ich, dass sie sich nur noch durch den Alltag schleppen, morgens wie ferngesteuert zur Arbeit gehen und abends zu Hause gleich weiter funktionieren – sei es als Mutter, Partnerin oder mit dem nächsten Berg an Haushaltspflichten. Gerade Alleinerziehende oder Frauen ohne Unterstützung sind hier stark betroffen. Sie geben alles für andere – und vergessen sich dabei selbst.
Ein Satz, den ich immer wieder mitgebe: „Wenn du Auto fährst und der Tank leer ist, kommst du auch nicht weiter.“ Genauso ist es mit uns Menschen. Wir können nur gute Leistungen bringen – im Job und im Privatleben – wenn wir rechtzeitig auftanken. Doch viele merken erst, dass sie komplett ausgebrannt sind, wenn gar nichts mehr geht. Dann ziehen sie sich zurück, verlieren die Freude an sozialen Kontakten, empfinden selbst schöne Dinge als Belastung. Jede Einladung wird zur Überwindung, jeder zusätzliche Termin zum Kraftakt.
Und dieser Dauerzustand bleibt nicht ohne Folgen: Die Leistung im Job nimmt ab, zuhause bleibt alles liegen – und das eigene Wohlbefinden rutscht immer weiter in den Keller. Oft folgen depressive Phasen, aus denen es schwer ist, ohne Hilfe wieder herauszufinden. Wichtig ist mir auch zu sagen: Es betrifft nicht nur Berufstätige. Auch Hausfrauen, die sich rund um die Uhr um alles kümmern, geraten in diesen Strudel. Der Körper meldet sich früher oder später – und dann ist es Zeit, ihm zuzuhören.
- Warum glaubst du, fällt es gerade berufstätigen Frauen oft so schwer, sich selbst an erste Stelle zu setzen?
Viele berufstätige Frauen befinden sich regelrecht im „Erfolgsmodus“. Wenn sie in ihrem Job aufblühen, möchten sie gesehen werden – von Vorgesetzten, Kolleg:innen, dem Umfeld. Sie wollen zeigen, was in ihnen steckt, übernehmen Verantwortung, springen ein, wenn Not am Mann ist, machen Überstunden. Das Engagement ist groß – und das ist an sich auch etwas Positives. Aber genau darin liegt auch die Gefahr: Sie setzen sich selbst hinten an, oft ohne es überhaupt zu merken.
Frauen haben häufig ein sehr stark ausgeprägtes Verantwortungsgefühl – nicht nur im Beruf, sondern auch privat. Sie wollen alles unter einen Hut bringen: Karriere, Kinder, Haushalt, Partnerschaft, Pflege von Angehörigen. Viele von ihnen sind wahre Allrounderinnen – stark, empathisch, belastbar. Doch genau diese Stärke führt manchmal dazu, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse als letztes wahrnehmen. Es wurde uns, so scheint es, ein Stück weit in die Wiege gelegt, immer zuerst an andere zu denken.
Hinzu kommt der Druck, sich in der „Männerwelt“ zu behaupten. Frauen wollen unabhängig sein, ihr eigenes Geld verdienen, sich beweisen. Für Alleinerziehende oder Frauen in schwierigen Lebenssituationen ist der Spielraum für Selbstfürsorge oft besonders gering – sie müssen funktionieren, weil keine andere Option bleibt. Wenn das Kind bis 16 Uhr in der Kita ist, muss in dieser Zeit gearbeitet, eingekauft und organisiert werden. Da stellt sich die Frage: Wann bleibt da Zeit für mich?
Ich höre oft Sätze wie: „Ich muss stark sein – für mein Kind, meinen Job, meine Familie.“ Und genau das ist der Knackpunkt: Diese Stärke darf nicht zur Selbstaufgabe führen. Denn echte Stärke zeigt sich auch darin, Grenzen zu setzen und sich selbst ernst zu nehmen. Nur wer gut für sich sorgt, kann langfristig auch für andere da sein.
- Du sagst: Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern eine Notwendigkeit. Wie kann sie konkret dabei helfen, beruflich erfolgreicher zu werden?
Ganz klar: Selbstfürsorge ist keine egoistische Entscheidung – sie ist eine überlebenswichtige. Viele Frauen glauben, sie müssten immer für alle da sein – für den Job, die Familie, den Haushalt – und vergessen dabei, dass ihre eigene Energiequelle endlich ist. Doch wenn wir ständig über unsere Grenzen gehen, zahlen wir früher oder später einen hohen Preis: körperliche Erschöpfung, psychische Überlastung, emotionale Leere.
Ich frage meine Kundinnen oft: Wenn du nicht mehr kannst – wer übernimmt dann deinen Alltag? Wer macht den Job, den Haushalt, kümmert sich um die Kinder? Meistens lautet die Antwort: Niemand. Und genau deshalb ist es so wichtig, regelmäßig innezuhalten und aufzutanken. Es geht nicht darum, sich aus dem Leben auszuklinken, sondern darum, nachhaltig leistungsfähig zu bleiben. Wer sich Auszeiten gönnt, beugt ernsthaften Erkrankungen vor – körperlich wie seelisch.
Selbstfürsorge bedeutet, sich bewusst Zeit für sich zu nehmen – nicht weil man egoistisch ist, sondern weil man Verantwortung für sich selbst übernimmt. Wer gut für sich sorgt, gewinnt an innerer Stabilität, Klarheit und Lebensfreude. Das wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus – auch auf den Beruf. Man geht wieder motivierter zur Arbeit, strahlt mehr Zufriedenheit aus, ist fokussierter und kreativer. Und genau das wird auch von Kolleg:innen und Vorgesetzten wahrgenommen.
In einer gesunden Balance zwischen Geben und Nehmen liegt das wahre Potenzial. Selbstfürsorge macht uns nicht schwächer – sie macht uns stärker. Sie gibt uns die Kraft, Veränderungen anzustoßen, neue Ziele zu verfolgen und unser volles Potenzial zu entfalten. Wer sich gut fühlt, performt besser – sei es in einem Meeting, bei einem wichtigen Projekt oder in einer Prüfungssituation. Das eigene Wohlbefinden ist die Basis für jeden Erfolg – beruflich wie privat.
- Welche Rolle spielt das Thema Körperwahrnehmung in deiner Arbeit – und warum ist es so wichtig für ganzheitliches Wohlbefinden?
Körperwahrnehmung ist der Schlüssel zu mehr Achtsamkeit – und ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Im hektischen Alltag haben viele Menschen verlernt, auf ihren Körper zu hören. Sie funktionieren einfach nur, hetzen von Termin zu Termin – und nehmen körperliche Signale erst dann wahr, wenn es schon richtig weh tut. Genau hier setzt meine Arbeit an.
Während einer entspannenden Massage geschieht etwas Wunderbares: Der Körper darf loslassen. Durch sanfte Streichungen, gezielte Knetungen und ruhige Zirkelungen wird nicht nur die Muskulatur gelockert – auch das Nervensystem beruhigt sich. Der Puls wird langsamer, das Herz schlägt gleichmäßiger, die Atmung vertieft sich. Ich sehe es oft ganz deutlich am Muskeltonus: Anfangs sind meine Kundinnen innerlich wie äußerlich angespannt, machen unruhige Bewegungen, können nicht still liegen. Doch im Verlauf der Massage kommt ihr System endlich zur Ruhe – und viele gleiten sogar für einen Moment in einen entspannten Halbschlaf. Das ist der Moment, in dem die Körperwahrnehmung zurückkehrt.
Durch die gezielten Griffe werden bestimmte Rezeptoren in Haut und Muskulatur aktiviert, die Informationen über Bewegung, Berührung und Körperlage an das Gehirn senden. Das hilft dabei, den eigenen Körper wieder bewusst zu spüren – nicht nur als Funktionseinheit, sondern als lebendigen Teil des Selbst. Die Durchblutung wird angeregt, der Sauerstofftransport verbessert sich, Spannungen lösen sich. Viele berichten nach der Behandlung von einem Gefühl der Leichtigkeit, wie „als wäre eine Last von den Schultern genommen“.
Regelmäßige Entspannungsmassagen helfen, dieses Körpergefühl nachhaltig zu stärken. Sie verbessern nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern fördern auch erholsamen Schlaf, stärkere Konzentration, eine stabilere Immunabwehr und ein gesünderes Hautbild. Wenn Körper und Geist wieder im Einklang sind, fühlen wir uns wohler in unserer Haut – und strahlen das auch aus. Das ist echte Selbstfürsorge – spürbar, wirksam und tiefgehend.
- Du bietest unter anderem Headspa und Lymphdrainage an – was macht diese Methoden so wirkungsvoll gegen Stress und Erschöpfung?
Das Headspa ist weit mehr als eine Kopfmassage – es ist eine ganzheitliche Behandlung, die Körper, Geist und Seele gleichzeitig anspricht. Der Fokus liegt zwar auf Kopf, Nacken und Schultern, doch die Wirkung erstreckt sich auf den gesamten Organismus. Viele meiner Kundinnen sagen nach der Behandlung: „Ich fühle mich, als hätte ich eine Ganzkörpermassage bekommen – aber irgendwie intensiver.“ Und genau das ist der Clou.
Unsere Kopfhaut ist extrem sensibel – sie ist durchzogen von unzähligen feinen Nervenenden. Deshalb reagieren wir auf Berührungen in diesem Bereich besonders stark. Ob sanftes Kraulen, Kämmen oder das vertraute Gefühl beim Friseur – viele Menschen empfinden genau das als besonders wohltuend. Eine Headspa-Behandlung kombiniert diese angenehmen Reize mit gezielter Massage, die nicht nur Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich löst, sondern auch die Durchblutung fördert, den Sauerstofftransport verbessert und das Nervensystem beruhigt.
Während der Behandlung schaltet der Körper in den Entspannungsmodus – die Gedanken werden ruhiger, der Stresspegel sinkt spürbar. Viele Kundinnen berichten mir, dass sie während der Anwendung einschlafen oder ein angenehmes Kribbeln im ganzen Körper verspüren – ein klares Zeichen, dass der Körper loslässt. Und es ist mehr als nur Wellness: Die Kopfhaut wird tiefenwirksam gepflegt, sanft gepeelt und vitalisiert. Gerade Menschen mit trockener, gereizter oder strapazierter Kopfhaut – durch Färben, Stylingprodukte oder Stress – profitieren von dieser regenerierenden Wirkung. Selbst der Haarwuchs kann durch eine gesunde Kopfhaut wieder angeregt werden.
Die Lymphdrainage ergänzt diese Wirkung ideal: Sie regt den Lymphfluss an, reduziert Schwellungen und Wassereinlagerungen – insbesondere im Gesicht oder an den Beinen. Dadurch wird der Stoffwechsel angeregt, das Gewebe entlastet und der Körper kann besser entgiften. Viele erleben eine spürbare Erleichterung bei schweren Beinen, Lipödemen oder hormonell bedingten Schwellungen. Und ganz nebenbei wirkt der Körper durch die entschlackende Wirkung oft schlanker und frischer.
Kurz gesagt: Headspa und Lymphdrainage sind zwei stille Superhelden der Selbstfürsorge. Sie sorgen nicht nur für tiefe Entspannung, sondern helfen dem Körper, sich selbst zu regulieren und zu regenerieren – sanft, effektiv und ganzheitlich.
- Wie gelingt es deinen Kundinnen, die Erfahrung der Entspannung in den Alltag zu integrieren – gibt es kleine Rituale oder Tipps, die du empfiehlst?
Ich könnte jetzt 1001 Rituale aufzählen, jeder hat sein eigenes, das er evtl. nicht kennt oder sich beibringen muss durchzuführen. Schon ein paar Minuten morgens zum Strecken, Dehnen und tief Durchatmen können den Start in den Tag verändern. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, ohne gleich an die To-do-Liste zu denken. Handy aus, Fernseher aus – und stattdessen ein ruhiger Kaffee oder ein Frühstück in Achtsamkeit. Auch in der Mittagspause hilft ein kurzer Spaziergang, um den Kopf frei zu bekommen. Solche Mikro-Auszeiten schaffen neue Energie, ohne den Alltag auf den Kopf zu stellen.
Ich empfehle auch kleine Rituale wie ein warmes Bad am Abend, entspannende Musik, ein gutes Buch oder Digital-Detox-Tage. Was auch immer einem guttut – sei es Gartenarbeit, ein Besuch im Spa oder einfach Stille – sollte regelmäßig Platz im Kalender finden. Schon eine Stunde pro Woche nur für sich selbst kann Wunder wirken.
- Was möchtest du Frauen mitgeben, die glauben, dass sie sich keine Pause erlauben dürfen, weil „noch so viel zu tun ist“?
„Nimm dir Zeit zu entspannen, um dich zu stärken, denn es geht nicht weiter ohne dich!“ Zitat Melek Aydogdu
„Ohne getankt zu haben, wirst du nicht weiterreisen können.“
Zitat Melek Aydogdu
Wenn du dir keine Pause nimmst, wird dein Körper sie sich irgendwann selbst holen – und zwar nicht dann, wenn es passt. Warum also warten? Selbstfürsorge ist keine Schwäche, sondern eine kluge Vorsorge. Wer gut für sich sorgt, bleibt langfristig kraftvoll – für sich selbst und für andere.
Über die Autorin
Melek Aydogdu ist Krankenschwester und Mutter – sie kennt die Folgen von Stress aus eigener Erfahrung. Mit ihrer Weiterbildung als Fachpraktikerin für Massage, Wellness und Prävention hat sie sich darauf spezialisiert, nicht nur Entspannung zu bieten, sondern präventiv zu helfen. In Bremen zählt sie zu den wenigen Expertinnen in Deutschland, die Headspa professionell anbieten und damit Stress, Verspannungen und Erschöpfung gezielt lösen.
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